Im wohl bedeutendsten Kartellrechtsverfahren gegen einen Technologiekonzern seit Microsoft (Microsoft Aktie) in den frühen 2000er-Jahren steht Google, Tochter des Alphabet-Konzerns, erneut im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein US-Bezirksgericht in Washington befasst sich seit dem 15. April 2025 mit der Frage, ob Google durch unfaire Exklusivverträge und die Verknüpfung seiner Dienste eine monopolartige Stellung im Bereich der Internetsuche etabliert hat – und ob diese Position durch den zunehmenden Einsatz Künstlicher Intelligenz weiter zementiert wird.
Der zuständige Anwalt des US-Justizministeriums, David Dahlquist, betonte zu Beginn des Verfahrens, dass Google nicht nur seine Vormachtstellung durch Standard-Vereinbarungen mit Geräteherstellern wie Samsung ausbaue, sondern diese Dominanz auch zur Förderung seiner KI-Produkte wie „Gemini“ nutze. Diese Produkte würden wiederum neue Nutzer zur Google-Suche führen und so einen selbstverstärkenden Kreislauf bilden.
Das Ministerium fordert daher strukturelle Maßnahmen – konkret die Abspaltung des Chrome-Browsers – um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Der Vorwurf: Google habe durch milliardenschwere Vereinbarungen mit Geräteherstellern die Standardsuche auf Mobilgeräten festgelegt und so Konkurrenzprodukte wie Microsofts Bing oder DuckDuckGo systematisch vom Markt verdrängt.
Besonders im Fokus steht dabei die zunehmende Integration generativer Künstlicher Intelligenz in die Internetsuche. Laut Justizministerium müsse das Gericht auch berücksichtigen, wie Google mithilfe von KI seine Marktmacht weiter ausbaut – etwa durch die Gemini-App auf Samsung-Geräten. Dahlquist forderte in seinem Plädoyer daher eine zukunftsgerichtete Entscheidung: „Maßnahmen dieses Gerichts sollten nicht ignorieren, was sich am Horizont abzeichnet.“
Google hingegen argumentiert, dass das Verfahren ausschließlich die Suchmaschine betreffe und KI-Produkte davon nicht betroffen seien. Googles Chefjurist John Schmidtlein bezeichnete die Forderungen des Ministeriums als Wunschliste von Wettbewerbern, die selbst von Googles Innovationen profitierten: „KI-Konkurrenten möchten ebenfalls Almosen, obwohl sie im Wettbewerb gut dastehen.“
Das Verfahren reiht sich in eine wachsende Anzahl kartellrechtlicher Auseinandersetzungen gegen große US-Technologiekonzerne ein. Erst vergangene Woche musste Google in einem separaten Verfahren vor einem Gericht im Bundesstaat Virginia eine Niederlage hinnehmen: Dort wurde dem Konzern bescheinigt, sich durch unlauteren Wettbewerb eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Online-Werbung gesichert zu haben.
Auch Meta Platforms steht derzeit in einem parallelen Verfahren unter Druck: In einem weiteren Kartellprozess vor demselben Gericht prüft die US-Regierung die Abspaltung von WhatsApp und Instagram, um die Marktmacht des Facebook-Konzerns zu begrenzen.
Die nun verhandelten Maßnahmen gegen Google gelten jedoch als noch weitreichender, da sie einen Kernbereich des Konzerns – die Websuche – betreffen. Eine gerichtliche Anordnung zur Abspaltung von Chrome oder zur Aufhebung bestehender Vereinbarungen mit Hardwareherstellern könnte den digitalen Suchmarkt grundlegend verändern.
Auch wenn das Verfahren in eine entscheidende Phase eintritt, ist mit einem endgültigen Urteil nicht vor Ende 2025 zu rechnen. Und selbst dann dürfte der Fall in mehreren Instanzen weiterverhandelt werden. Google hat bereits angekündigt, in Berufung zu gehen – unabhängig vom Ausgang des aktuellen Prozesses.
Für die Branche ist das Verfahren ein Signal mit potenziell globaler Reichweite: Sollten die USA erstmals seit Jahrzehnten eine strukturelle Zerschlagung eines führenden Technologiekonzerns durchsetzen, könnte dies auch andere Märkte und Wettbewerbsbehörden – etwa in der EU – zu ähnlichen Schritten motivieren.
Quelle: manager-magazin.de // dpa // Reuters
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