Shanghai/Stuttgart. Die wirtschaftspolitischen Spannungen zwischen den USA und China sowie die protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung unter Donald Trump verlagern den Fokus deutscher Autozulieferer zunehmend auf den chinesischen Markt. Auf der Automesse in Shanghai - mittlerweile Leitmesse für Elektromobilität und automatisiertes Fahren - zeigten sich deutsche Unternehmen wie Bosch, ZF, Mahle oder Marquardt in auffallend starker Präsenz.
Im ersten Quartal 2025 wurden laut dem Branchenportal Marklines in China rund 1,5 Millionen vollelektrische Fahrzeuge verkauft - ein Anstieg um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Während chinesische Hersteller wie BYD deutlich zulegen konnten, mussten europäische Anbieter wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW Absatzrückgänge im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen
Bosch, weltweit führender Autozulieferer, ist besonders stark auf dem chinesischen Markt vertreten. Im Geschäftsjahr 2024 wuchs der Umsatz der Mobilitätssparte dort um vier Prozent auf 15 Milliarden Euro. Rund 25 Prozent des automobilen Umsatzes wird bereits in China erwirtschaftet. Bosch-CEO Stefan Hartung sieht vor allem in den Bereichen Fahrerassistenz, Infotainment und Elektromobilität Wachstumspotenziale.
Ein zentraler Zukunftsbereich ist das Cockpit mit künstlicher Intelligenz, für das Bosch nun in China einen ersten Großauftrag erhalten hat. Die Serienproduktion startet noch 2025. Auch sogenannte Brake-by-Wire- und Steer-by-Wire-Systeme befinden sich bei Bosch bereits in der Umsetzung. Drei chinesische OEMs wurden für das neue Lenksystem gewonnen, das im vierten Quartal 2025 in die Serienfertigung gehen soll.
ZF Friedrichshafen, ebenfalls mit starkem China-Engagement, beliefert bereits den Nio ET9 mit seinem neuesten Steer-by-Wire-System. Vorstandschef Holger Klein betont, dass ZF den „China-Speed“ adaptiert habe - schnelle Entwicklungszyklen, direkte Kundeneinbindung und lokalisierte Fertigung stehen im Zentrum.
Auch Mahle, das traditionsreiche Stuttgarter Unternehmen, sieht China als Lernfeld: „China ist unser Bootcamp“, sagt CEO Arnd Franz. Die Entwicklungszyklen in China sind drastisch kürzer als in Europa - unter zwei Jahren im Durchschnitt.
Während Bosch, ZF und Mahle weiter expandieren, steht bei Continental eine umfassende strategische Neuausrichtung an. Der DAX-Konzern plant nach der Trennung von der Autozuliefersparte Aumovio nun auch den Verkauf der ContiTech-Sparte, die Kunststoffe und Kautschuklösungen liefert.
Auf der Hauptversammlung in Hannover kündigte der scheidende CFO Olaf Schick an, dass eine Beteiligung der Aktionäre am Verkaufserlös über eine Sonderdividende oder einen Aktienrückkauf angedacht sei. Genaue Details sollen im Sommer folgen. Schick wechselt zu Mercedes-Benz und wird dort neuer Rechtsvorstand.
Neuer Finanzvorstand bei Continental (Continental Aktie) wird Roland Welzbacher, ein langjähriger Kenner des Reifengeschäfts. Seine Berufung erfolgt inmitten einer der tiefgreifendsten Umstrukturierungen in der Unternehmensgeschichte: Künftig soll Continental sich auf das Kerngeschäft mit Reifen fokussieren.
Trotz aller Investitionen und Aufbruchsstimmung - der chinesische Markt bleibt für deutsche Zulieferer eine Herausforderung. Eine Überkapazität von über 40 Prozent sowie ein brutaler Preiskampf setzen die Margen unter Druck.
Besonders BYD sorgt als Marktführer mit aggressiven Preissenkungen zwischen 5 und 20 Prozent für Unruhe. Selbst CATL, Weltmarktführer bei Batterien, leidet unter dem Preisdruck - wie Firmengründer Robin Zeng öffentlich einräumte.
Ein weiterer Druckfaktor ist der Technologiewandel. Chinesische Hersteller und neue Wettbewerber wie Huawei oder Xiaomi entwickeln zunehmend eigene Softwarelösungen für Cockpits und automatisiertes Fahren und verdrängen damit klassische Zulieferer aus Europa aus lukrativen Bereichen.
Desay SV, ein chinesischer Anbieter von Smart Cockpits mit Engagement in Deutschland, zeigt sich ebenfalls betroffen. Man wolle „schädliche Preise“ vermeiden, sagte Yang Yong, Executive Vice President des Unternehmens, gegenüber dem Handelsblatt.
Marquardt, ein mittelständischer Zulieferer aus Süddeutschland, ist ebenfalls im China-Geschäft aktiv und spürt den Druck. CEO Björn Twiehaus rechnet mit einer Marktbereinigung in den nächsten zwei bis drei Jahren.
China bleibt für deutsche Autozulieferer der Schlüsselmarkt für die Zukunft der Mobilität – insbesondere im Bereich Elektrofahrzeuge, automatisiertes Fahren und digitale Cockpits. Gleichzeitig verlangen der extreme Preis- und Technologiewettbewerb sowie die wachsende Konkurrenz durch lokale Technologiekonzerne nach strategischer Schärfe und lokaler Anpassung.
Unternehmen wie Bosch, ZF und Mahle zeigen, dass es möglich ist, durch lokal ausgerichtete Innovation und Partnerschaften in diesem Markt zu bestehen. Doch der Weg ist steinig und könnte langwierig werden. Darüber hinaus wird vermutlich nicht jeder diesen Weg bis zu Ende gehen können.
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